Heiner Knaub am 
Bauhaus Dessau

„Die schönste Zeit in seinem Leben“

Die Hochschule für Bau und Gestaltung prägte das 
Schaffen des Eberbacher Malers entscheidend 

Die künstlerische Begabung Heiner Knaubs macht sich schon früh bemerkbar. Trotzdem entschied er sich zunächst für den Lehrberuf, den er auch kurze Zeit in Rockenau ausübte, ohne jedoch die erhoffte Erfüllung darin zu finden. Die Aufnahme in das Staatliche Bauhaus, an das er einige seiner frühen Arbeiten gesandt hatte, gab der künstlerischen und persönlichen Entwicklung des damals Vierund­zwanzigjährigen die entscheidende Prägung.

Die Jahre seines Studienaufenthaltes am Bauhaus in Dessau von 1928 bis 1931 bezeichnete Heiner Knaub später als die schönste Zeit in seinem Leben. Die Kunstschule verstand sich gleichzeitig als Versuchs­stätte für moderne Gestaltung und legte ein ganz neues Kunsterziehungsprogramm vor, das nicht die Grenzen der verschiedenen Kunstgattungen überwin­den sollte, sondern auch einen neuen Typ „Mensch“ für eine humanere Gesellschaft heranbilden wollte.

Ziel der Bauhauslehre war es, Architektur, Plastik und Malerei aus ihrer jeweiligen Isolation heraus­zuführen und in einer neuen „Bauhauskunst“ zu ver­einen. Selbstzweck und reine Dekoration im Kunst­werk waren verpönt, der Künstler sollte nicht länger im Elfenbeinturm sitzen, sondern zurückfinden zu einem handwerklichen Verständnis seines Schaffens. Die Anwendung der schöpferischen Prinzipien auf die Dinge des täglichen Lebens sollte das Leben an sich zum Gesamtkunstwerk machen und so einen neuen Menschen in einer humaneren Gesellschaft heranbilden. Der hohe Anspruch dieses umwälzenden Gedankengutes, das an eine internationale Schüler­schaft weitergegeben wurde, erlebte 1933 ein jähes Ende.

Heiner Knaub fand in mehrfacher Weise im Bau­hausgedanken seine geistige Heimat. Zum einen entstammte er einfachen Familienverhältnissen und hatte von seinem Vater, der Schreinermeister war, handwerkliche Fertigkeiten geerbt. Seine musikali­sche Begabung – er spielte in den zwanziger Jahren im Eberbacher Orchesterverein Geige und verfügte über das „absolute Gehör“ – glaubte Heiner Knaub mit der Aufnahme seiner Ausbildung am Bauhaus zunächst zurücksetzen zu müssen, sie vertiefte jedoch sein Verständnis für die neuen Lehrinhalte. Die Farb­theorie Kandinskys, der zu seinen Lehrern zählte, stützt sich auf eine enge Verwandtschaft von Musik und Malerei. Das Bild wird „komponiert“, den Farb­tönen werden musikalische Eigenschaften zugeord­net, zum Beispiel „klingendes Rot“. Der Anspruch, die Kunst mitten ins Leben hineinzustellen, führte nicht nur zum Entwurf von Gebrauchsgegenständen und funktionalen Bauwerken (die Ausstellung im Kurzentrum zeigt unter anderem den 1931 entstande­nen Plan für ein Flughafengebäude), sondern verlang­te auch einen materialgerechten Umgang und eine Form, die das Wesentliche erfaßt und künstlerisch wiedergibt. Die strenge Betonung der Struktur sowie die ausdrucksstarke Farbgebung in den Bildern Hei­ner Knaubs lassen die konsequente Anwendung der Bauhauskonzeption erkennen.

Die Verbindung von Kunst und Handwerk im Sinn des Bauhauses gelang Heiner Knaub auch in seinen späteren Berufsjahren, als er zunächst in Mannheim der Drinneberg’schen Werkstatt für Glasmalerei als künstlerischer Leiter vorstand. Als er 1952 eine Lehr­tätigkeit an der Gewerbeschule Heidelberg über­nahm – er unterrichtete unter anderem angehende Gold­schmiede und Dekorateure – gesellte sich das erzie­herische Element hinzu. Seine eigenen Erfahrun­gen der Bauhauszeit hatten ihm gezeigt, wie stark das Beispiel des „Meisters“ die Entwicklung der Jugend­lichen beeinflussen kann. Es gelang ihm, bei den Schülern Zutrauen zur eigenen Leistung zu wecken. Die dankten es ihm mit Freude an seinem Unterricht und spürten seine fachliche und menschliche Auto­rität.

In seinem Eberbacher Atelier, das den Blick auf den bergseits gelegenen Garten seines Hauses in der Odenwaldstraße [Nr. 5] freigab, malte Knaub uner­müdlich, fertigte Skizzen für Aufträge an öffentlichen Gebäuden, so zum Beispiel für das Wandbild im Treppenhaus des Eberbacher Krankenhauses, für das Hohenstaufen-Gymnasium, für die Oberdielbacher Schule. Seine Verbindung zur Musik war nie abge­rissen, im Gegenteil. Er illustrierte jahrelang die Hef­te der „Kunstfreunde Eberbach“ [sog. Künstlerbuch, 1948  ff., z. Zt. 6 Bde., mit Aufzeichnungen zu den gegebenen Konzerten] und begleitete manchen Weih­nachtsgottesdienst mit der Geige. Ein weiterer Aspekt seiner Gestaltungskraft zeigte sich in seinen Bei­trägen als Lokaljournalist. Das Interesse an Literatur – er war sehr belesen – wurde durch das Germa­nistikstudium seiner Tochter Ricarda neu angeregt.

Heiner Knaub galt in Eberbach trotz seiner Wärme und der persönlichen Ausstrahlung als eher ver­schlossener Mensch. Auch äußerlich hob er sich – „in Schnürlsamthosen [Cordhose] und Rollkragenpull­over gekleidet und mit langen Haaren“, wie sich seine Frau Elisabeth erinnert – vom gewohnten Erschei­nungsbild ab und war doch mit ganzem Herzen Eber­bacher. Eine letzte Reise kurz vor seinem Tod und die Begegnung mit der zeitgenössischen Malerei im Kunstzentrum Paris weckte bei ihm das Bedauern, in Eberbach sehr abgeschlossen und ohne Austausch mit anderen Malern gelebt zu haben. Bücher und Kunst­zeitschriften waren doch nur ein Ersatz dafür ge­wesen.

Mag sein, daß seine Entwicklung anders verlaufen wäre, hätte sich Heiner Knaub von Eberbach gelöst. Andererseits blieb er so seinem persönlichen Weg treu. Mag sein, daß Heiner Knaub in seiner Beschei­denheit sich und seine Werke nicht „zu verkaufen“ wußte, da ihm das Herausarbeiten seines künstleri­schen Auftrages wichtiger war. Die Kunststile wech­seln. Es scheint, daß die heutige Zeit für den klaren, materialgerechten, auf das Wesentliche beschränkten Stil des Bauhauses ein neues Verständnis gewonnen hat. Der avantgardistische Ansatz im Schaffen Heiner Knaubs bekommt dadurch posthum eine gewisse Zeitlosigkeit, so daß sich Eberbach plötzlich in der Lage befindet, einen Künstler hervorgebracht zu ha­ben, der über seine Zeit hinaus gewirkt hat.

wl. [Wille]

Die Eberbacher Zeitzeugen Rudolf Krauth und Renate Greif erinnern sich

Sein Bekanntenkreis in der Heimatstadt war groß, Freunde hatte er nur wenige. Mit ihnen traf sich Heiner Knaub zum Gedankenaustausch oder um ge­meinsam zu musizieren. Mit Rudolf Krauth [1923–2001, Berufsoffizier und Cousin von H. Knaub], den er seit mehr als zwanzig Jahren kannte, unternahm Heiner Knaub kurz vor seinem Tod eine letzte Reise nach Paris.

Erste Kontakte zu dem Künstler knüpfte Rudolf Krauth im Alter von etwa 26 Jahren. Mehr als eine weitläufige Verwandtschaft verband beide das Inter­esse an der Kunst. Im Lauf der Zeit lernte er den um zwanzig Jahre älteren Heiner Knaub als einen zuver­lässigen Charakter kennen, den er heute als einen der wenigen wahren Idealisten von fast kindlicher Naivi­tät bezeichnet. Seinen Mitmenschen sei er stets freundlich begegnet, selbstsicher und doch von be­scheidener Zurückhaltung. War seine Meinung ge­fragt, so hat er sie mit der für ihn typischen Ehr­lichkeit geäußert. Tolerant und offen stand er allem Neuen gegenüber, verarbeitete es, blieb aber immer der eigenen Überzeugung, dem eigenen Stil, treu.

Aufgewachsen war Heiner Knaub ohne Geschwi­ster, aber mit einer starken Beziehung zu seiner Mut­ter, die er sehr verehrte und deren Maßstäbe er über­nahm. Unter Enttäuschungen hat der sensible Lehrer und Maler immer sehr gelitten. Zum eigenen Schutz wahrte er sich stets eine gewisse Distanz und öffnete sich nur wenigen Menschen. Bei ihrer Beurteilung waren menschliche Qualitäten, die er wie angenehme Schwingungen wahrnahm, weitaus wichtiger als in­tellektuelle Leistungen.

Unbestechlich dagegen war sein Gespür für die eigene Unvollkommenheit. Rudolf Krauth schildert, wie Knaub mit einem hohen Maß an Selbstkritik immer wieder am eigenen Werk zweifelte. Mit un­zähligen Skizzen arbeitete er auf die Vollendung eines Bildes hin, nur manchmal war er mit dem Re­sultat wirklich zufrieden.

Mochte er allen Anregungen noch so offen gegen­überstehen, mit den Arbeiten vieler moderner Maler kam er nicht zurecht. Die Erkenntnis, deren Anliegen nicht zu verstehen, gab ihm das Gefühl, den Mangel an den eigenen Fähigkeiten gefunden zu haben. Ru­dolf Krauth sieht das anders: seiner Ansicht nach konnte Knaub den Weg zur Abstraktion nicht gehen, aus innerer Überzeugung und Ehrlichkeit gegen sich selbst.

Die letzte Reise kurz vor seinem Tod im Jahre 1975 führte Heiner Knaub nach Paris. Drei Wochen lang begleitete er Rudolf Krauth bei den täglichen Besuchen in Museen und Galerien. Krauth schildert, wie ihn der Freund immer wieder mit seinem erstaun­lich guten Gedächtnis und seinen überaus gründ-lichen Kenntnisse von der Malerei überraschte.

Hier in Paris, dem Dreh- und Angelpunkt künst-lerischen Schaffens, glaubte Heiner Knaub nun zu erkennen, was ihm in all den Jahren gefehlt hatte. In dieser Stadt mit ihrer unvergleichlichen Atmosphäre hätte, dessen war er sich plötzlich sicher, seine künst­lerische Laufbahn eine andere Entwicklung genom­men; in Eberbach dagegen mangelte es ihm, dies er­kannte auch Rudolf Krauth, am „Sauerstoff“, an der Nahrung, die man nur aus dem Austausch mit anderen Kunstschaffenden gewinnt, und nicht zuletzt auch an Resonanz und Anerkennung. Neben einer Ausstel­lung hatte er die einzige Veröffentlichung eines Teils seiner Werke Egon Hassbecker [1924–2013] zu ver­danken. Der Galerist und Buchhändler gab eine Kunstmappe [Kassette] mit Reproduktionen im vier­farbigen Offset-Druck von zwölf Originalen Heiner Knaubs heraus [1978] – die Auflage von 250 Stück war schnell vergriffen.

Von Rolf Greif, der sich nicht sehr für die Kunst des Bauhauses interessierte, ließ sich Heiner Knaub für die Fotografie begeistern. Renate Greif [1931–2002, Buchhändlerin] die den Künstler als Freund ihres Mannes kennenlernte, erinnert sich vor allem anderen an Knaubs Toleranz den Mitmenschen gegenüber und an seine Beschei­denheit. Öffentlichkeit, gesellschaft­liche Ereignisse hat er gemieden, nie wollte er im Mittelpunkt stehen. So kamen auch seine umfassen­den literarischen Kenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet der Musik und der Philosophie, meist eher zufällig an die Oberfläche; von ihm selbst kam kaum je ein Hinweis auf seine universelle Bildung.

Mit Hingabe pflegte Heiner Knaub den kleinen Garten hinter seinem Haus in der Odenwaldstraße. Auch für diesen Bereich galt das gleiche wie für alles andere, was ihn wirklich interessierte: umfassende Kenntnisse waren die Basis für seine Beschäftigung mit den Dingen. So war es auch mit seinen Fähig­keiten als Maler, die er mit großem geistigen Wissen untermauerte.

Neue Impulse für die Malerei gaben ihm seine Reisen nach Italien. Hier verbrachte er seine Ferien über Jahre hinweg im gleichen Quartier bei einer neapolitanischen Familie auf Ischia. Renate Greif ist sich sicher, daß er immer wieder auf die Insel fuhr, um entsprechend seiner Gründlichkeit alle Eindrücke dieser für ihn fremden Welt nach und nach verarbei­ten zu können. Diese Reisen intensivierten seine Malerei sehr. In zahllosen Skizzen und Bildern übte er sich an Motiven von Booten und Fischern oder der südlichen Landschaft. Das Ergebnis waren mit spär­lichen Mitteln gestaltete, äußerst ausdrucksvolle Bil­der, die auf faszinierende Art und Weise die eigen­tümliche Atmosphäre des Südens wiedergeben.

Auch Renate Greif fand Heiner Knaub nach seiner letzten Reise nach Paris verändert wieder. Auch sie spürte, daß er fühlte, als sei ein großer Strom an ihm vorbeigegangen und daß er es nun vielleicht bedau­erte, nicht mehr gereist zu sein. Menschenscheu im Sinne von mißtrauisch sei Heiner Knaub nicht ge­wesen, versichert Renate Greif. Im Gegenteil, stets habe er in den Menschen nur das Gute sehen wollen und sei selbst fast zu gut zu ihnen gewesen. Zurück­haltung und Distanz seien die Mittel gewesen, „mit denen sich ein Künstler wehrte, der wußte, daß er sehr verwundbar war.“         

lg.

Hinweise zur Gedenkausstellung

Die Ausstellung zum Gedenken an den Bauhaus­schüler und Maler Heiner Knaub ist noch bis zum 14. April im Kurzentrum zu sehen. Sie ist montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 17 Uhr ge­öffnet, sonntags von 14:30 bis 16:30 Uhr. Über die Osterfeiertage ist die Ausstellung nur am morgigen Ostersonntag zwischen 14:30 und 16:30 Uhr zu be­sichtigen.

Quelle: Eberbacher Zeitung Nr. 81 von (Kar-)Sams­tag, den 6. April 1985 – 
Die drei abgebildeten Ge­mälde „Friedrichsdorfer Landstraße“, 
„Selbstbildnis aus den zwanziger Jahren“ und 
„Der Pfarrhof in den fünfziger Jahren“ sind hier nicht übernommen.